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Der nackte Mann auf dem Sportplatz [OmeU], DDR 1973, R: Konrad Wolf mit Kurt Böwe, Ursula Karusseit, Martin Trettau, Katharina Thalbach, 100 Min, Eintritt 2,- €

Wortkarg und verschlossen ist der knapp 40-jährige Bildhauer Herbert Kemmel, seine Werke sollen für sich sprechen. Mit seiner Frau Gisi und seinem Sohn Michael lebt er am Rande von Berlin in dörflicher Atmosphäre. Wenn er im Atelier arbeitet, vergisst er alles um sich herum, die Familie zieht da den Kürzeren.

Gern kommen Nachbarn zu Besuch, aber die meisten reagieren verunsichert auf Kemmels Kunst oder dessen Gedanken über den Krieg, den er noch selbst erlebt hat. An Kriegsverbrechen, wie in der Schlucht von Babi Jar, will er künstlerisch erinnern. Auch die Bauersfrauen, die den Entwurf zu einer Relief-Auftragsarbeit begutachten sollen, wissen nicht recht, was sie sagen sollen.

Zur Einweihung bitten sie ausgerechnet Kemmel, eine Rede zu halten. Als dieser extra dafür anreist, kann er sein Relief im Ort nicht entdecken – denn es ist im Feuerwehrturm abgestellt. Schwierigkeiten hat er auch mit einem ehemaligen Wismut-Arbeiter, den er zunächst vergeblich bittet, ihm Modell zu sitzen.

Eine Ausnahme ist da ein junges Paar, das, obwohl es in Kürze sein erstes Kind erwartet, gern eine Zeichnung des Künstlers erwerben will. Als Kemmel wieder in seinem thüringischen Heimatdorf zu Besuch ist, schlägt er seinem ehemaligen Fußballverein vor, für sie ein Denkmal zu entwerfen. Lange sucht Kemmel nach dem richtigen Motiv, tastet sich heran und gestaltet – einen nackten Läufer.

Das direkt nach „Goya“ gedrehte, gelungene Gegenwartswerk beschäftigt sich erneut mit der widerspruchsvollen Situation des Künstlers in der Gesellschaft. Vorbild ist nun der Bildhauer Werner Stötzer, der im Film den Bürgermeister spielt.

Mit einer subjektiven Handkamera und überzeugenden Darstellern – allen voran Kurt Böwe – gelingt eine authentische Atmosphäre, die dem Zuschauer auch viel über ein untergegangenes Land erzählt. Persönliche Erfahrungen von Konrad Wolf sind ebenso in den Film eingeflossen, so z.B. eine Anspielung auf seinen knapp 15 Jahre unter Verschluss gehaltenen Wismut-Film „Sonnensucher“. Wolfgang Kohlhaase über den Film: „Er war nicht modern und wird deshalb auch nicht unmodern.“ Gedreht wurde in Alt-Glienicke im und um den Haus von Werner Stötzer.

Konrad Wolf über seinen Film: „Manchmal haben wir uns schon selbst gesagt: Müsste er in irgendeiner Szene nicht mehr aus sich herausgehen, emotionaler reagieren? Vielleicht. Erst als ich den Film mal im Zusammenhang sah, kam mir der Gedanke: vielleicht hat er auch ein bisschen von dir selbst... Ich hatte jedenfalls ein großes Vertrauen gerade in das Statuare, bar jeder äußerlichen, d.h. aufgesetzten Emotionalität. Es ist eben ein anderer Künstler, nicht wie man ihn sich landläufig vorstellt - der immer verklärt mit dem Pinsel im Maul ungeheuer drauf losgeht.“

„wahrhaftige, authentische Atmosphäre bis in die kleinste Geste, das unscheinbarste Detail. Das setzt eine Zeitreise in Gang, zurück in ein versunkenes Land, dessen Präsenz für anderthalb Stunden geradezu physisch zu spüren ist. Womöglich ist der Film für die Zukunft entstanden, fürs Heute – um echte Erinnerungen zu bewahren, die von der Flut fremder Interpretationen nahezu verschüttet sind.“ (Ugla Gräf, Potsdamer Neueste Nachrichten, 27.04.2009)

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